Wie alles begann
Seit zwei Jahren gibt es das “Fach” Lernen mit Achtsamkeit am Siebold-Gymnasium in Würzburg. Initiiert wurde es von Alexandra Andersen, die sowohl die Konzeption, als auch die Implementierung an ihrer Schule übernommen hat. Sie ist neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin, auch Trainerin für gewaltfreie Kommunikation, Achtsamkeitstrainerin für Kinder, Yoga- und angehende MBSR-Lehrerin und bringt die Kompetenzen aus diesen Weiterbildungen in das neue Fach mit ein. In dem schuleigenen pädagogischen Gremium “Siebold-Forum”, das sich aus Eltern, LehrerInnen und den SchülersprecherInnen der Schule zusammensetzt, wurde in einer Sitzung 2016 über die Situation in den 5. Klassen diskutiert: Es wurde überlegt, wie die Heterogenität der neuen Klassenbildungen, die Umstellung von Grundschule auf Gymnasium, die Anforderungen der neuen Schulart und die ganz persönlichen Höhen und Tiefen der neuen SchülerInnen von der Schule aufgefangen werden können. Auch die Beobachtung, dass es den 5. Klässlern nicht immer leicht fällt, an der neuen Schule anzukommen und gelassen mit den vielen neuen Situationen umzugehen, hat dazu geführt, dass der Wunsch nach Handlung aufkam. Da Frau Andersen zu diesem Zeitpunkt bereits viele gute Erfahrungen mit Achtsamkeit in ihren Weiterbildungen und auch in kleinen Aktionen mit ihren SchülerInnen gemacht hatte, erklärte sie sich bereit, ein Konzept zu entwickeln, das unter Einbezug des Fachs “Lernen lernen”, in den 5. Klassen eingesetzt werden kann.
Der Achtsamkeitsunterricht ist einerseits dazu gedacht, den SchülerInnen der 5. Jahrgangsstufe das Eingewöhnen an der neuen Schule zu erleichtern. Andererseits bietet er aber die Möglichkeit, das Lernen am Gymnasium zu erleichtern, indem die SchülerInnen üben, die eigene Aufmerksamkeit zu steuern, Ablenkung auszublenden und sich somit besser zu konzentrieren und bewusst mit Stress und Unruhe (z. B. in Prüfungssituationen) umzugehen.
Was lernen die Kinder im Fach “Lernen mit Achtsamkeit”
Für viele Kinder ist das Thema Achtsamkeit etwas ganz Neues, daher werden sie Schritt für Schritt an das Thema herangeführt. Es geht mit ganz einfachen Übungen los. Die SchülerInnen erfahren, was Achtsamkeit überhaupt bedeutet, und lernen unter anderem, sich auf ihren Atem zu konzentrieren. In einem Teil der Übungen beschäftigen sich die Kinder mit dem eigenen Körper und entwickeln dabei ein besseres Körpergefühl, aber auch, die eigenen Gefühle und Gedanken stehen im Zentrum zahlreicher Einheiten.
Die Schulstunden “Lernen mit Achtsamkeit” haben Inhalte aus dem Fach “Lernen lernen” aufgenommen. Entsprechend liegt ein Fokus auch darauf, wie Achtsamkeit die SchülerInnen beim Lernen unterstützt. Es ist allgemein bekannt, dass Meditation die Konzentration und Aufmerksamkeit stärkt. Auch die teilnehmenden SchülerInnen erkennen dies schnell und setzen die Übungen in Alltagssituationen z. B. vor Prüfungen ein, um sich zu beruhigen. Im Unterricht wird aber auch der respektvolle Umgang miteinander thematisiert. Hierfür fließen Elemente der gewaltfreien Kommunikation in die Schulstunden ein.
Vor Schulaufgaben oder Exen mache ich die Übungen und sie helfen mir, dass ich mich beruhige. Am Anfang der Stunde beruhigt es mich und ich kann mich besser konzentrieren.
Schülerin, des Siebold-Gymnasiums, 5. Klasse
Schüler, Lehrer und Eltern bemerken eine deutliche Veränderung
Befragt man die SchülerInnen nach ihren Erfahrungen, bekommt man viele positive Rückmeldungen. Die Kids erkennen, dass das Gelernte hilft, sich besser zu konzentrieren, mit Wut, Ängsten und Sorgen umzugehen, den Körper und dessen Empfindungen bewusst wahrzunehmen und wieder runterzukommen, wenn man aufgewühlt ist. Es wird aber auch deutlich, dass die Kinder Spaß am Unterricht haben und voller Begeisterung dabei sind. Dies wird insbesondere auch dann deutlich, wenn der Unterricht von einer “Pflichtveranstaltung” zu einem Wahlfach wird, und sich dennoch zahlreiche Freiwillige finden, die gern mehr über das Thema Achtsamkeit erfahren wollen.
Auch der Klassenverband profitiert vom Gelernten. Das Klima innerhalb der Klasse verbessert sich spürbar. Unstimmigkeiten werden respektvoller miteinander gelöst, die SchülerInnen sind im Unterricht aufmerksamer und nehmen aktiver teil. Das erkennen auch die LehrerInnen in anderen Fächern. Die positiven Veränderungen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Schule. Die Eltern berichten ebenfalls von positiven Veränderungen ihrer Kinder.
Auch andere Schulen sollen von dem Konzept und der Erfahrung profitieren
Ähnlich wie das Siebold-Gymnasium, sollen jetzt auch SchülerInnen an anderen Schulen von Achtsamkeit profitieren. Frau Andersen hat hierfür ihre Erfahrungen in einem Curriculum zusammengefasst und bietet ab Herbst 2019 in Kooperation mit der Stiftung West-Östliche Weisheit Willigis Jäger eine Fortbildung für LehrerInnen am Benediktushof in Holzkirchen an.
Die Weiterbildung stärkt die LehrerInnen
- in ihrer Präsenz und ihrem Zugriff auf die eigenen Ressourcen.
- im achtsamen Umgang mit SchülerInnen und KollegInnen auch über „Lernen mit Achtsamkeit“ hinaus.
- in der Vermittlung von wirksamen Lernmethoden.
- in der Einführung von „Lernen mit Achtsamkeit“ an der eigenen Schule.
Da die eigene Praxis in Achtsamkeit und Meditation für die Vermittlung an SchülerInnen ein essentieller Bestandteil ist, beginnt die Fortbildung damit, diese bei den TeilnehmerInnen zu stärken. Neben der eigenen Achtsamkeit, lernen die LehrerInnen, wie die Themen achtsame Kommunikation, Selbstempathie, Selbstausdruck, Achtsamkeit mit anderen und Empathie für andere an SchülerInnen vermittelt werden können. Es werden Übungen aus Formaten wie MBSR, Yoga, Zen oder der gewaltfreien Kommunikation trainiert, die die TeilnehmerInnen dann an ihrer eigenen Schulen einsetzen und das Konzept “Lernen mit Achtsamkeit” implementieren können. Es werden fertig ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt, so dass die TeilnehmerInnen am Ende der Weiterbildung alle aufeinander folgenden Achtsamkeitsunterrichtsstunden kompakt und mit Kopiervorlagen durchführen können.
Möglichst viele Lehrer und Schüler sollen profitieren
Das letzte Modul der Weiterbildung besteht darin, zu erlernen, wie man das Thema an die schulinternen KollegInnen weitergeben kann. In der jeweiligen Schule soll es möglichst viele LehrerInnen geben, die sich dem Thema öffnen und die entsprechenden Übungen mit den SchülerInnen durchführen können. Nur so kann gewährleistet werden, dass die SchülerInnen bestmöglich betreut und gefördert werden.
Weitere Information zur Fortbildung finden Sie hier.
Erfahrungen fließen auch in unsere App ein
Die Initiatorin von “Lernen mit Achtsamkeit” Alexandra Andersen ist auch maßgeblich an der Konzeption der BuddhaBoo-App beteiligt und als Sprecherin zahlreicher Einheiten in unserer App zu hören. Kinder, die im Unterricht mit dem Thema in Berührung kommen, werden sicher auch die ein oder andere Übung in der App wiedererkennen und können ihre Lieblingsübung aus dem Unterricht beliebig oft wiederholen oder zahlreiche neue Übungen kennenlernen. Aber auch LehrerInnen können sich in der App Anregungen für ihren Unterricht holen.